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Alt 16.07.2009, 10:24
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Standard Kölner Stadtanzeiger heute

Leitartikel zur Bundeswehr
Fremdkörper im eigenen Land
Von Markus Decker, 15.07.09, 23:11h

Je länger der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan andauert, desto mehr Deutsche wahren Distanz zur Bundeswehr. Die Deutschen missbilligen Bundeswehr-Einsätze wie am Hindukusch mehrheitlich. Denn was die Bundeswehr tut, das braucht eine stärkere Legitimation.

Deutsche Soldaten in Afghanistan. (Symboldild: dpa)

Deutsche Soldaten in Afghanistan. (Symboldild: dpa)Am kommenden Montag findet vorm Reichstag wieder ein öffentliches Gelöbnis statt. Junge Bundeswehr-Soldaten werden sich - im Gedenken an die Hitler-Attentäter - zur Verteidigung dieses Staates und seiner Verfassung bekennen. Kanzlerin Angela Merkel wird die zentrale Rede halten, nachdem Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) im vorigen Jahr anhand des eigenen Lebens eindrucksvoll darlegte, worin der Unterschied besteht zwischen der Wehrmacht, der er selbst diente, und der Bundeswehr. Letztere fühlt sich dem Frieden, der Demokratie und den Menschenrechten verpflichtet. Nur: Wollen die Deutschen das überhaupt wissen? Oder ist ihnen ihre Truppe nicht herzlich egal?

Der Staat kümmert sich zunehmend um seine Soldaten - materiell und symbolisch. So übernimmt die Bundesregierung Leistungen von Versicherern, wenn diese nicht zahlen. Der Bundestag hat ein Weiterverwendungsgesetz beschlossen, demzufolge Mitglieder der Bundeswehr auch dann Dienst tun können, sollten sie infolge eines Anschlags gehandicapt sein. Der lobenswert rührige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vergibt neuerdings Tapferkeitsmedaillen und lässt ein Ehrenmal für tote Soldaten bauen. Schon zum zweiten Mal findet das Gelöbnis vorm Reichstag statt. Gleichwohl will niemand Uniformierte, die hart sind wie Kruppstahl. Jung hat vielmehr gezögert, umkommende Kameraden „Gefallene“ zu nennen. Von „Krieg“ spricht er bis heute nicht. Weil es die Menschen nicht mögen.

Das Hauptproblem besteht nämlich darin, dass sich die Gesellschaft von der Truppe abkapselt - und nicht, wie in der Weimarer Republik, die Truppe von der Gesellschaft. Die Deutschen missbilligen Bundeswehr-Einsätze wie am Hindukusch mehrheitlich. Bestenfalls stehen sie soldatischem Handwerk mit freundlichem Desinteresse gegenüber. Gelöbnisse, Tapferkeitsmedaillen und Ehrenmale sind insofern keine martialischen Akte. Sie sind Hilferufe der Politik an die Gesellschaft, von ihrer Distanzierung bitte schön Abstand zu nehmen. Denn was die Bundeswehr tut, das braucht eine stärkere Legitimation. Entsteht diese nicht, werden Missionen in Afghanistan, auf dem Balkan oder im Kongo dauerhaft unmöglich - oder die Bundeswehr wird noch stärker zu einem Fremdkörper, der völlig losgelöst von seinem heimischen Umfeld agiert. Beides kann sich niemand wünschen.

Dabei hat das Thema eine gesamtdeutsche Komponente. Knapp 50 Prozent aller Soldaten im Auslandseinsatz kommen derzeit aus den neuen Ländern. Somit liegt ihr Anteil 30 Prozentpunkte über ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung - und das obwohl sich Ostdeutsche (noch) nicht in gleichem Maße mit diesem Staat identifizieren wie Westdeutsche. Zwar hat der Überschuss mit hoher Arbeitslosigkeit in Brandenburg oder Sachsen zu tun. Trotzdem sollten die Westdeutschen dieses Engagement zu würdigen wissen.

Ob die ostdeutsche Kanzlerin hier Brücken schlagen kann? Merkel hat Afghanistan lange gemieden. Schmidts Fußstapfen als Redner sind aus biografischen Gründen zu groß. Aber vielleicht ist es gerade das Zivile an der Regierungschefin, das den Deutschen einen neuen Zugang zu ihrer Bundeswehr verschafft. Sie hätte es verdient.

...paßt irgendwie zu unserer Diskussion!
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