Thema: "Angst"
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Alt 30.12.2006, 02:49
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Kamantun Kamantun ist offline
Frischling
 
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Zitat:
Zitat von Crunchy Frog Beitrag anzeigen
Es hat mich nicht gestört - lediglich verwundert - das gerade ihr beide in euren ersten Komm´s in diesem topic "Angst" mit "Schiß haben" gleichgesetzt habt.
Kannst Du das ein wenig näher erklären/begründen?

Ich sehe/verstehe nicht so ganz, wo die Unterschiede zwischen "Angst haben" und "Schiss haben" liegen sollten.

Sind das für Dich zwei völlig verschiedene Gefühle oder reden wir hier doch nur von unterschiedlichen Intensitäten ein- und desselben Gefühls, bzw. Zustandes?
Zitat:
Zitat von Crunchy Frog Beitrag anzeigen
Ich habe deinen Satz mehrmals gelesen und mag trotzdem nicht meinen Frieden damit finden. Warum dem so ist, mag ich kurz erläutern: Meines Erachtens spielst du eher auf den Selbsterhaltungstrieb an. Die "Angst den Löffel abzugeben" scheint mir aber nicht als das passenste Beispiel; obwohl gerade diese eine der zutiefst verwurzelten Ängste (...wenn nicht "die"...) eines jeden Lebewesens scheint !? Aber geht es da nicht eigentlich ursprünglich um die Erhaltung der Art ?
Klar geht es da ursprünglich um die Erhaltung der Art. Genau so ursprünglich geht es aber bspw. auch beim Sex um die Erhaltung der Art. Und trotzdem wir ihn dafür (zumindest in der westlichen Hemisphäre) nicht mehr unbedingt brauchen und noch weniger nutzen, praktizieren wir ihn.

Warum wohl?

Ich denke mal, aus genau demselben Grund, weswegen wir auch heutzutage immer noch vielerlei Verhaltensweisen an den Tag legen, die - zumindest in dieser Hemisphäre - wenig bis keinen Überlebensnutzen mehr haben: Weil unserer genetisches Erbe, welches die Grundlagen unserer Persönlichkeiten, Bedürfnisse und Triebe über einen Zeitraum von sehr vielen Jahrtausenden entwickelt hat, mit dem derzeitigen Entwicklungstempo der (westlichen) Menschheit nicht so ganz mithalten kann.

Und so werden - im Guten wie im Schlechten - die einstmals als Überlebenshilfe bzw. für den Fortbestand der Art notwendigen Triebe, Bedürfnisse und Verhaltensweisen vom modernen, westlichen Menschen (der sich ja genetisch nicht der Rede wert bspw. von seinem Naturvolk-Pendant im Urwald Südamerikas unterscheidet), in sein, im Vergleich, völlig ungefährdetes Dasein mitgenommen - und seien sie im ursprünglichen Sinne auch noch so überflüssig...

So verhält es sich mit dem Sex, den wir (mehrheitlich) nicht mehr deshalb praktizieren, weil wir einem naturgegebenen Trieb zum Zwecke der Arterhaltung nachgeben. Vielmehr haben wir den Trieb und den damit verbundenen Spaß bei der Befriedigung dieses Triebes selbst zum Zweck erklärt. (Positives Beispiel, weil Spaß bringend - ...ok...realistischer formuliert: WENN es denn im Einzelfall Spaß bringt... )

Und so ist es eben auch mit der Angst. Westliche Menschen sind im allgemeinen nicht mit unmittelbaren Gefährdungen für Leib, Leben und Fortpflanzung bedroht und trotzdem haben/entwickeln sie jede Menge Ängste, die sich von der Intensität her kaum von denjenigen Menschen unterscheiden dürften, welche im australischen Hinterland, Afrika oder Südamerika als Naturvölker Tag für Tag um´s nackte Überleben kämpfen müssen. (Wenn sich Letztere solch intensive Ängste überhaupt erlauben können/Zeit dafür finden...wohl eher nicht...)

Die Sache ist die: Wir kommen mit Ängsten auf die Welt und wenn diese Ängste keine Entsprechungen fnden - dann schaffen wir uns halt welche.

Und darin sind wir verdammt gut.

(Im Übrigen auch im weiterverbreiten dieser Ängste - kommerziell motiviert oder auch nicht...)
Zitat:
Zitat von Crunchy Frog Beitrag anzeigen
In einem meiner Kommentare habe ich die "Todesangst" eines Soldaten angesprochen. Das er <Angst> haben darf & muss ist ja wohl unumstritten. Als Kriegsdienstverweigerer - ohne Familie und auf einem warmen Sofa sitzend - erlaube ich mir dennoch diese Angst zu interpretieren. Welche Motivation lässt ihn seinen Scheissjob weiterhin durchstehen ? Die Angst vor dem Tod oder die Sorge (=auch Angst) um seine Frau und seine Kinder ?
Ich hoffe du erkennst den mir so wichtigen Unterschied in der Betrachtungsweise ?

"Angst haben" und "Schiss haben" sind für mich zwei unterschiedliche Gefühle. Die Angst um meine eigene Haut kann ich bekämpfen - die Angst um das Wohlsein meiner Lieben ist unbesiegbar. Ein ganzer Wulst von neuen Gefühlen geht mit dieser Angst einher: Sorge, Liebe, Verantwortung und Sehnsucht mögen die stärksten davon sein...?
Dein Soldatenbeispiel halte ich für sehr gewagt. Ich habe zwar so wenig wie Du persönlich dem drohenden Tod auf einem Kriegsschauplatz in´s Auge gesehen, aber aus dem, was ich in diversen Kriegs-Büchern gelesen und in Kriegs-Doku-Filmen gesehen habe, glaube ich, ein ganz anderes Bild ableiten zu können:

Am Anfang der unmittelbaren Kampfhandlungen steht nur die Angst um´s nackte Überleben. Zeit, um an die liebe Familie daheim zu denken, gibt´s da einfach keine, wenn einem die Kugeln um die Ohren fliegen.

Wenn man diese ersten Kriegserlebnisse an der Front seelisch einigermaßen überstanden haben sollte, gibt es sicherlich Gedanken an die Geliebten zu Hause - wobei Liebe und Sehnsucht wohl die vorherrschenden Gefühle sein werden; Sorge und Verantwortung sind in Zeiten eigener, unendlicher Qualen wohl eher, ähm...unwahrscheinlich?

Phase zwei (die natürlich auch SOFORT eintreten kann), ist dann die der körperlichen und/oder seelischen Total-Erschöpfung; schwer verwundete und tote Kameraden und Feinde zuhauf. Man hat selbst Menschen getötet und der Feind hat Menschen getötet, die man gut kannte; mit denen man befreundet war, die man mochte...

Man hat keine Angst mehr vor dem eigenen Tod. Man verspürt gar nichts mehr. Man ist leer - und marschiert auf Befehl dem Feind entgegen.

Und Du meinst also, in solch einem Zustand der körperlich wie seelischen Abgewracktheit wäre man mehr als nur ein völlig willenloser Automat, der jeden Befehl als Abwechslung empfindet und den Tod eher sucht als fürchtet; und man würde vielmehr an die Lieben daheim und an deren Sicherheit und Wohlbefinden denken, und daraus eine Motivation schöpfen, weiterzumachen??
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Das Auge sieht, was es sucht.

Geändert von Kamantun (30.12.2006 um 02:55 Uhr).
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